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Janus - der Gott der Türen

2020, September 2020
11.09.2020

„Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.“ – Johann Wolfgang von Goethe

Janus ist ein römischer Gott mit zwei Gesichtern, der nur in der römischen Mythologie vorkommt. Er hat keine Entsprechung in der griechischen Sagenwelt. Als Gott der Anfänge ist er der Namensgeber des Monats Januar. Janus ist der Gott mit zwei Gesichtern, von dem sich das deutsche Wort ‚janusköpfig‘ ableitet. Es bedeutet so viel wie zwiespältig oder ambivalent. Der Gott Janus selbst war bei den Römern anders als vielfach vermutet sehr angesehen. Er gilt als der eigenständigste und beliebteste Schutz-Gott der Römer. Als Gott der Türen und Tore ist Janus der Gott, dem alle Anfänge heilig sind. Er blickt in zwei – nicht nur in eine Richtung – er eröffnet und verschließt zugleich. Nicht die Tür entscheidet, ob sie sich verschließt oder öffnet, sondern der Mensch handelt. Janus symbolisiert die Dualität unseres Seins wie etwa Leben und Tod, Licht und Finsternis, Anfang und Ende, Zukunft und Vergangenheit, usw. Die Erkenntnis, dass alles Göttliche immer einen Gegenspieler hat, kennen wir im Christentum auch. Jesus Christus ist das A und O – der Anfang und das Ende. Janus war für die Römer für all ihre Unternehmungen und Feldzüge sehr bedeutsam, denn diese erforderten klare und eindeutige Entscheidungen. Bereits damals war es schwierig, weil die Zukunft genauso unsicher und widersprüchlich war wie heute.

Das Janusgesicht an der Börse

Manchmal müssen wir die Widersprüche des Lebens aushalten, auch wenn wir keine Erklärungen finden, die uns einleuchten. Während die Wirtschaft im 2. Quartal 2020 um 9,7 % eingebrochen ist, steigen die Aktienmärkte zuletzt dynamisch. Im März fiel der DAX auf unter 9.000 Punkte. Fünf Monate später klettert er wieder auf das Niveau vom Jahresanfang von 13.250 Punkten, obwohl Corona nicht vorbei ist und es auch keine V-förmige Erholung der Wirtschaft zu geben scheint. Diese Widersprüche können wir schlicht nicht ignorieren, sondern müssen sie hinterfragen, um Antworten für die Zukunft zu finden.

Es stimmt – die Börse blickt nicht auf die aktuelle Situation bei den Unternehmen, sondern schaut, wie sich diese vermutlich entwickeln werden. Nur kennt niemand die Zukunft – weder in den Zeiten von Covid-19 noch sonst irgendwann. Wir wissen nicht, wann wir wieder zu einem „normalen“ Leben zurückkehren werden. Deshalb sind Aussagen von Anlageexperten wie „Das Schlimmste liegt bereits hinter uns!“ genauso fragwürdig wie die der Crash-Propheten „Wir bekommen eine riesige Inflation!“ oder „Es bricht alles zusammen!“. Damit werden Bedenken zerstreut bzw. Ängste bei den Menschen geschürt. Beides sind keine guten Ratgeber, denn wir alle kennen die Zukunft nicht. Außerdem ist es ein riesiger Unterschied, ob ich eine persönliche Meinung äußere oder ob ich Verantwortung für andere Menschen trage, wie ich z. B. für Sie und Ihr Depot. Die Auswirkungen meiner Entscheidungen muss ich deshalb genau abwägen. Als Kapitän auf einem Schiff in einem schwierigen Gewässer mit Eisbergen muss ich derzeit viel vorsichtiger agieren als in „normalen“ Zeiten. Wir dürfen im Bereich der Geldanlage nicht zum Stillstand kommen, sondern werden vorsichtig weiterfahren. „Vollgas geben“ ist derzeit nicht die bevorzugte Geschwindigkeit, selbst wenn die Anleger am Ende gut aus der Sache rauskommen.

Der gespaltene Aktienmarkt

Nicht nur die Wirtschaft und die Börse entwickeln sich konträr. Auch innerhalb einzelner Indices gehen die Kurse weit auseinander. Im amerikanischen S&P 500-Index sind seit Jahresbeginn fünf Technologietitel (Apple, Amazon, Alphabet, Facebook und Microsoft) im Schnitt um 25 % gestiegen, während die übrigen 495 Werte im Durchschnitt um 5 % gefallen sind. Klar, dass derzeit Technologietitel so nachgefragt sind wie warme Semmeln. Jeder weiß, dass diese Aktien für die Zukunft stehen. Digitalisierung ist das Schlagwort. Nur sollten wir als Anleger Wachstum, welches alle diese Titel aufweisen, in Relation zur Bewertung und zum Risiko dieser Aktien stellen. Wir dürfen kritische Fragen stellen gerade zu den Werten, die momentan von allen geliebt werden. Dazu gehören auch der Automobilbauer Tesla und der Lieferdienst Delivery Hero, die mit 20 Mrd. Euro an der Börse bewertet werden. „Einfach zu teuer!“, so lautet mein Urteil, welches ich vielfach überprüft und hinterfragt habe. Zum einen handelt es sich bei Apple, Amazon und Co. um erstklassige Unternehmen, die einfach hervorragend sind und enorm viel Geld verdienen. Zum anderen aber auch um Aktien, die sich wie Luftblasen verhalten. Die Titel sind völlig heiß gelaufen und die Kurse haben wenig mit der Unternehmensrealität gemeinsam. Wie können wir uns als Anleger in dieser Lage positionieren?

Kritische Erfolgsfaktoren für die Aktienanlage

  • Wir brauchen in erster Linie Qualität! In Bezug auf Aktien bedeutet das, dass die investierbaren Unternehmen ein solides und ein auf Wachstum ausgerichtetes Geschäftsmodell betreiben. Die Verschuldung ist gering und die Gefahr von großen und bedeutsamen Fehlinvestitionen in neue Technologien ist gering. Die Unternehmen generieren regelmäßige und nachhaltige Erträge.
  • Wert und Preis: Diese grundlegende Wahrheit dürfen wir uns immer wieder vor Augen führen, wenn wir an den Börsen außergewöhnliche Kursentwicklungen beobachten wie bei den Technologiet iteln an der NASDAQ in diesen Tagen. Amazon, Apple und Facebook sind tolle Unternehmen. Das steht außer Frage! Die Firmen sind geradezu fantastisch. Nur sind die Preise dafür auch enorm und man muss sich die Frage stellen, ob diese Titel es auf lange Sicht wert sind, so viel für sie zu bezahlen. Auf der anderen Seite nützt es auch nichts, preiswerte Unternehmen zu kaufen, die niemand mehr braucht. Welchen Sinn hätte es gemacht, vor 100 Jahren in Aktien von Pferdekutschen-Herstellern zu investieren, die heute ihren Zenit längst überschritten haben? Es kommt nicht nur auf den Preis an, sondern darauf, dass die Relationen stimmen.
  • Langfristigkeit und Ausdauer sind wichtige Eigenschaften besonders in unsicheren Zeiten wie diesen. Auf Sicht von zwei bis drei Jahren lässt sich besser abschätzen, welche Unternehmen die Krise überwinden werden als mit einem kurzfristigen Blick. Deshalb sollten Anleger besonders jetzt ruhig und entspannt bleiben. Wenn der Anlagehorizont auf fünf und mehr Jahre ausgerichtet ist, müssen wir nicht täglich auf die Börsenkurse schauen, da wir von der Qualität unserer Investmententscheidungen überzeugt sind.;
  • Verzichte deshalb auf Markttiming! Damit ist gemeint, dass es auf lange Sicht nichts bringt, zu versuchen kurzfristig auf bestimmte Entwicklungen steigender oder fallender Kurse zu spekulieren. Im Gegenteil! Es ist sogar höchst gefährlich, insbesondere dann, wenn die Schwankungen so stark sind wie aktuell. Im März 2020 wurden so viele Fonds von Anlegern verkauft wie noch nie zuvor. Im Rückblick haben sie den Exit zur Unzeit gesucht, denn der April war einer der stärksten Monate überhaupt. Ein großer Teil der Kursrückgänge wurde bereits wieder wettgemacht. Dies zeigt, wie wichtig mentale Stärke für die Investitionsentscheidungen ist. An dieser Stelle werden die häufigsten Fehler gemacht.;
  • Entscheidend ist die Gesamtstruktur des Portfolios. Wie beim Fußball kommt es auf die Mannschaftsleistung an. Wir brauchen Stürmer und Verteidiger. Ein Mittelfeld und den Torwart. Auch ein guter Trainer und das ganze Team sind wichtig. So muss auch das Depot strukturiert sein – ausgewogen und trotzdem konsequent auf Ertrag und Wachstum ausgerichtet.

Alle Faktoren sind wichtig für den langfristigen Erfolg Ihrer Vermögensanlage. Allerdings kann bereits ein entscheidender Fehler sehr teuer werden und den Gesamterfolg erheblich infrage stellen.

Kommen wir zurück zu Janus und zu den Türen. Wir als Investoren entscheiden darüber, was wir kaufen und zu welchem Preis wir kaufen. Egal ob Qualität oder Ramsch, egal ob billig oder teuer, egal ob kurzfristig oder langfristig – niemand weiß, ob die Kurse steigen oder fallen. Wir müssen die Widersprüche an der Börse ertragen. Kurzfristig mag sich die Spekulation auszahlen. Nur langfristig entscheiden die Qualität, der Einstiegspreis und der Anlagezeitraum über die Ertragsdynamik. Lassen Sie uns an den bewährten Prinzipien festhalten – das zahlt sich langfristig aus! Überlassen Sie die Spielwiese der Spekulation den anderen. Bleiben Sie besonnen, auch wenn Sie vermeintlich Gelegenheiten verpassen. Am Ende wird abgerechnet. Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Badehose anhat. Bleiben Sie gelassen! Es wird noch genug Chancen geben, hervorragende Titel zu günstigen Preisen einzukaufen.

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